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Tanzen im Museum

Interaktive Museumsführungen

Der Roboter vollführt einen Tanz: In ruckartigen Bewegungen fährt er seine Metallarme aus, begleitet vom elektronischen Sound der Mechanik. Zehn Menschen bilden einen Kreis um ihn, ahmen seine Bewegungen nach, werden selbst zur Maschine. Im „Zentrum für Kunst und Medien“, ZKM, in Karlsruhe experimentiert die Dozentin für Tanztheater, Gabriela Lang, mit Kunstinteressierten auf einem bisher unbekannten Feld: Der sinnlichen Wahrnehmung von Kunst durch körperliches Erfahren und Bewegung. Es sind interaktive Museumsführungen, bei denen die Besucher sich in Beziehung setzen, zueinander und zu den Objekten im Raum.

 

Kunst begreifen, statt sie nur zu betrachten

Im New Yorker „MoMa“, dem Dresdner „Albertinum“ oder der Basler „Foundation Beyeler“ liegen zeitweise Yogamatten in den Ausstellungsräumen: Die Kunst im Raum dient als Kulisse für eine Yogastunde. In Karlsruhe bewegt sich das ZKM mit der interaktiven Museumsführung auf einem vollkommen neuen Terrain: Was passiert, wenn der Ausstellungsbesucher das Kunstwerk sinnlich erfährt und aktiv mit seinem Körper begreift? Eine Besucherin nimmt schon zum dritten Mal an den performativen Führungen durch die ZKM-Ausstellungen teil und beschreibt es so: „Für mich ist es ein ganz neues Erfahren von Kunst, dass man so nicht haben kann, wenn man nur durch die Ausstellung läuft.“  Zuletzt war sie bei der Führung durch die zur Zeit stattfindenden „Open Codes“ dabei: Im „Bitcoin“-Raum habe sie gespürt, wie die Gier sie ergreift, um sich anschließend  im „Silent Communication“-Raum wie im Mutterleib zu fühlen. „Ich habe die Ausstellung auf einer tiefen Körperbewusstseinsebene erlebt, hinterher war ich von meinen Erfahrungen selber überrascht.“ Gabriela Lang lässt den Besucher in ihrer Museumsführung vom distanzierten Kunstkonsument zum Mitwirkenden werden. Es ist ihr wichtig, dass jeder, der Spaß an der Bewegung hat daran teilnehmen kann, selbst Menschen mit Behinderung. Die Leiterin des Tanztheaters Karlsruhe bereitet sich inhaltlich auf die jeweilige Ausstellung vor und wählt dann gezielt Kunstwerke aus, die sie der Gruppe vorstellt. Nach einem kurzen Aufwärmen beginnt die vierstündige Führung durch die Ausstellungsräume. Zu den ausgesuchten Werken gibt es immer eine Einführung mit Informationen zur Entstehung und der Intension des Künstlers. Spannende Anweisungen und Aufgaben, welche die Teilnehmer alleine oder in der Gruppe ausführen, versetzen diese in die Lage, die Werke auf ihre persönliche Art und Weise interpretieren zu können.

 

Kunstvermittlung durch Bewegung

„Wählt Euch eine Figur aus, die Ihr nachstellen und verkörpern wollt“, gibt die Kunstvermittlerin vor. Das große Ölgemälde an der Wand, zeigt eine Schar von Menschen, Bauern, Mütter, Kinder, die sich auf den Weg machen in ein brachliegendes Land, das ihnen eine bessere Zukunft bietet soll. „Nun geht als diese Person genauso von links nach rechts wie die Menschen auf dem Bild, langsam und konzentriert.“ Die Gruppe zieht sich bedächtig entlang des Gemäldes. Am Ende tauscht man sich aus: Eine Teilnehmerin fühlte sich bedrückt im Strom mit gehen zu müssen und war erleichtert, als sie in ihrem eigenen Tempo die Freiheit fühlte. Anderen wurde dabei bewusst, wie gut sie es selbst hätten in ihrem Land und wie froh sie darüber seien. Kunst auf diesem ungewöhnlichen Weg zu erfahren, eröffnet eine neue Erlebnistiefe mit sich selbst, dem Künstler, dem Werk und den anderen Besuchern. Da die performativen Führungen während der regulären Öffnungszeiten stattfinden, werden Anwesende Zeugen einer Performance, welche den Kunstraum zur Bühne werden lässt.

 

„Besinnungen“ nennt die Kunstvermittlerin Gabriela Lang ihre interaktiven Führungen, bei der sie die Besucher auf eine „spielerische Reise zwischen Kunstwerken und Körpern“ mitnimmt.    

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