· 

im nomadenjahr - tschö kölle

Ich will eine Lanze brechen. Für Hürth. Meine Bleibe der vergangen drei Wochen. Hatte man von Hürth doch immer so ein Bild von Industriestadt im Kopf - rauchende Schlote, kein Grün, viel Verkehr. Ist auch da. Aber nicht in Altstädten-Burbach, ein Vorort von Hürth und 8km weg von der Metropole. Dort ist es schon fast dörflich und hat diesen wunderbaren Otto-Maigler-See, der mir jeden Morgen eine perfekte 9km Laufrunde ermöglicht, an Schwänen, Enten und Graugänsen vorbei. Morgens trifft man da auch jede Menge Fischer an, welche die Ruhe vor dem Sturm nutzen. Und der kommt - allerdings so richtig erst im Sommer, dann strömen die Kölner hierher. Zurück laufe ich an beschaulichen Mini-Fachwerkhäuschen vorbei (Renate, ich konnte nicht anders:)), hole Brötchen beim Bäcker Klein - Idylle pur. Den Frühling hat jetzt auch endlich jemand ausgegossen und die Knospen sprießen wie wild. Ach ja: Und einen Jazzclub mit richtig guten Konzerten gibts hier auch.

Köln - Ein Stadtspaziergang

Und dann Köln. Hier sprießt auch alles, nur eben irgendwie geordneter. Ich statte dem Botanischen Garten, der "Flora", einen Besuch ab. Dort blühen die Kamelien und auf der Terrasse des Restaurants lassen die Menschen ihre Haut von der Sonne kitzeln. Nebenan gibt es dann nicht nur den Zoo und eine Seilbahn, welche die Kölner über den Rhein gespannt haben, sondern auch einen schönen Skulpturengarten - knapp oben drüber und  vorbei rauscht der Stadtring. Weiter in Richtung Agnesviertel. Und dann steh ich da vor einer Festungsanlage. Mitten in der Stadt eine halbe Burg. Das "Fort X" war ehemals Teil des Befestigungsrings der Stadt Köln. Mir war der Zutritt zum Rosengarten durch das Enyeloppenthor leider noch verwehrt, aber ich denke, dass könnte dort recht schön sein - im Sommer. Vorbei an einem Weinberg, der auf dem Dach des Weinmuseums gepflanzt wurde, komme ich in Richtung Agnesviertel und Nippes.

Nippes ist ganz schön bunt durch die farbigen Häuserfassaden und mit Sicherheit zumindest tagsüber der beschaulichste und ruhigste Stadtteil den ich in Köln erlebt habe. Von Nippes spaziere ich in Richtung Agneskirche und mache dann einen Kaffee-Stop im "Café-Elefant". Kunst gegen Bares wird dann im "Artheater" abends in Ehrenfeld gegeben -  das sieht von außen ganz schön schräg aus. Im kleinen "Selam", ein paar Häuser weiter, kann man lecker afrikanisch essen - unbedingt den Honigwein probieren (nur für Most-Fans was).

Apropos Ehrenfeld: Mein Kölner Favoriten-Viertel - Kreatives an jeder Ecke, von Menschen  mit jeder Menge Ideen gemacht. Rund um den "Besteckkünstler" und die Körnerstraße gibts trendige Second-Hand-Läden, Möbeldesigner, Illustratoren, Bierbrauer, Lebenskünstler und solche, die es noch werden wollen. "Kölsches Wasser", diesmal trinkbar, gibts im "Café Sehnsucht"  und dann stürze ich mich in das "Ehrenfeld Hopping", eine Mischung aus Night-Shopping und Kneipen-Hopping. Kaufladen & Schminksalon: das klingt so herrlich altmodisch und ist es dann so gar nicht: Im "Salon Zwei" gibt Claudia Schaaf Schminkkurse und bietet in Bioqualität alles an, was Haut, Haar und dem Ego gut tut. Bei der gelernten Maskenbildnerin fühle ich mich richtig gut aufgehoben und endlich in einer Atmosphäre zuhause, wo Schönwerden richtig Spaß macht. Merkwürdig ist eigentlich nichts bei der Illustratorin Ruth Gerresheim in ihrem Geschäft in der Simrockstraße, eher würdig gemerkt zu werden. Die kreative Handschrift zieht sich über den ganzen Laden durch, auf Kissen, Karten, Hüllen. In der "Drahtflechterei" um die Ecke wird Gipsy-Jazz gespielt, vier Mann lassen es richtig gut krachen und füllen den Laden bis auf den letzten Platz. Ich ziehe nach der Pause weiter, trinke ein hochprozentiges Craft Beer im "Hopfenrausch" und werde (vielleicht auch dadurch) unvernünftig: "Kitsch deluxe", ein Name der mich wieder magisch anzieht - leider auch die fantasievollen Klamotten. Isabelle Internicola hat die wunderbare Symbiose von Antiquitäten und Mode geschafft und der Besuch in ihrem Laden ist ein Abtauchen und Schwelgen in französischen Traumwelten. Das wunderschöne bunte Collier war für mich unerschwinglich aber ich werde noch nächtelang davon träumen... Es wird dunkel und die Nachtschwärmerei geht los - ich beginne sie mit einer Lesung im Neptunbad in gediegener Jugendstilatmosphäre.

Der Mini Mini Zigarrenkurs lockt mich ins "La Galana", der einzigsten Zigarrenmanufaktur in Köln. Wer schon immer wissen wollte, wie eine Zigarre gedreht wird, kann beim Ehrenfelder Hopping dabei zuschauen. Ich werde mit einem Rum empfangen, Annette Meisl zündet mir eine Zigarre an und ich lehne mich entspannt im Ledersofa zurück. Aus fünf verschieden starken Tabakblättern dreht sie vor meinen Augen die Zigarre, kappt die Enden mit der Guillotine und ratzefatze fertig ist das dicke Teil. Währenddessen quatschen und rauchen wir - ich sitze hier mit einer bekannten Buchautorin zusammen: Sie war das mit dem Sexperiment und den "Fünf Männern für mich". Eine interessante Frau und eine spannende Idee, auch hier in Köln eine Zigarrenmanufaktur zu betreiben. Es hat unheimlich Laune gemacht und war der krönende Abschluss meines letzten Abends in Köln. Die Stadt hat mich erst auf den letzten Metern einfangen können, zu viele Menschen, Autos und Geräusche schwirren hier rum, als dass ich mich wirklich entspannen könnte.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0